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raniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) werden heute als multifaktorielles Beschwerdebild verstanden, in dem myofasziale Dysfunktionen, Gelenkveränderungen, okklusale Faktoren und psychosoziale Einflussgrößen zusammenwirken. Aktuelle Übersichtsarbeiten zu temporomandibulären Störungen (TMD) zeigen, dass ein Großteil der symptomatischen Fälle myofasziale Komponenten aufweist und mit generalisierten Schmerz- und Stressphänomenen assoziiert ist.

In einer spezialisieren Praxis für Kieferorthopädie – etwa in einem Versorgungsgebiet wie Freiburg – begegnen wir daher regelmäßig Patientinnen und Patienten mit CMD, bei denen muskuläre Hypertonie, Bruxismus und stressassoziierte Beschwerden im Vordergrund stehen. Die Frage, ob eine Magnesiumsubstitution – insbesondere in Form von Magnesiumbisglycinat – diese Patientengruppe sinnvoll unterstützen kann, wird zunehmend von Behandlern, Physiotherapeuten und auch Patienten selbst gestellt.

Dieser Beitrag ordnet Magnesium auf Basis der aktuellen Literatur als potenziell sinnvollen, aber klar adjuvanten Baustein in der CMD-Therapie ein und fasst zentrale Studien im Vancouver-Stil zusammen.

Physiologische Rolle von Magnesium im neuromuskulären System

Magnesium ist ein essenzieller Kofaktor in über 300 enzymatischen Reaktionen und spielt eine Schlüsselrolle in der neuromuskulären Erregungsleitung, der Muskelkontraktion und der Energiemetabolisierung.MDPI+1

Zwei Mechanismen sind für CMD besonders relevant:

  1. Regulation der neuromuskulären Transmission
    Magnesium moduliert spannungsabhängige Calciumkanäle und reduziert die Freisetzung exzitatorischer Neurotransmitter an der motorischen Endplatte. Bei Magnesiummangel steigt die neuromuskuläre Erregbarkeit, was sich klinisch in Muskelzuckungen, Krämpfen und myofaszialen Triggerpunkten äußern kann.PubMed+1
  2. Einfluss auf zentrale Sensitivierung
    Als physiologischer Antagonist am NMDA-Rezeptor begrenzt Magnesium die glutamaterge Transmission und damit die Entwicklung zentraler Hyperexzitabilität – ein Mechanismus, der bei chronischen Schmerzsyndromen, einschließlich myofaszialer Schmerzen und TMD, eine zentrale Rolle spielt.MDPI+1

Chronische Hypomagnesiämie wird in aktuellen Reviews als relevanter Risikofaktor für neuromuskuläre Übererregbarkeit und eine Vielzahl chronischer Erkrankungen beschrieben.PubMed+1

CMD, myofasziale Schmerzen und Stress: Schnittstellen zur Magnesiumforschung

Myofasziale Schmerzen gelten heute als eigenständiges Schmerzsyndrom mit charakteristischen Triggerpunkten, tastbaren Hartspannsträngen und häufig lokaler sowie projizierter Schmerzsymptomatik.Wiley Online Library+1

Für TMD-Patienten konnte gezeigt werden, dass:

  • myofasziale Schmerzformen einen erheblichen Anteil der schmerzhaften TMD ausmachen,
  • Stress- und Depressionsscores bei Patient:innen mit TMD-myofascial pain with referral signifikant erhöht sind,
  • eine enge Verknüpfung mit Nacken- und Schultergürtelbeschwerden besteht.MDPI+1

Damit überschneiden sich die Pathomechanismen von CMD und myofaszialem Schmerzsyndrom deutlich mit den Bereichen, in denen Magnesium in der Literatur als modulierender Faktor beschrieben wird.

Evidenz für Magnesium bei myofaszialen und chronischen Schmerzen

Die Datenlage ist heterogen, aber in mehreren Bereichen konsistent:

  1. Chronische und akute Schmerzen
    Eine systematische Übersichtsarbeit randomisierter Studien kommt zu dem Ergebnis, dass Magnesium in verschiedenen Settings (perioperativer Schmerz, Migräne, neuropathische und muskuloskelettale Schmerzen) die Schmerzintensität und den Analgetikabedarf reduzieren kann.PMC
  2. Myofasziale Triggerpunkte und kraniomandibuläre Region
    • Eine randomisierte Studie untersuchte Magnesiumsulfat-Injektionen in myofasziale Triggerpunkte des M. masseter und zeigte eine signifikante Reduktion der Schmerzintensität sowie eine Verbesserung der maximalen Mundöffnung im Vergleich zu Kochsalzinjektionen.BioMed Central
    • Weitere Studien an Patienten mit myofaszialen Schmerzen im Nackenbereich berichten, dass Magnesiumsulfat-Iontophorese Schmerzen und funktionelle Einschränkungen signifikant verbessern kann.ScienceDirect

Auch wenn diese Arbeiten eher lokale Injektionsformen und nicht die orale Supplementation untersuchen, stützen sie die grundsätzliche Analgesie- und Relaxationswirkung von Magnesium in muskulären Schmerzsyndromen – einschließlich der Kaumuskulatur.

  1. Muskel- und neuromuskuläre Gesundheit
    Ein aktueller Scoping Review zeigt, dass Magnesiumsupplementierung Muskelkraft, Erholung und muskelassoziierte Beschwerden verbessern kann und bei neuromuskulären Erkrankungen eine relevante Rolle spielt.MDPI

Warum Magnesiumbisglycinat in der CMD-Therapie besonders interessant ist

Magnesium steht in verschiedenen organischen und anorganischen Verbindungen zur Verfügung, deren Bioverfügbarkeit zum Teil deutlich differiert. Organische Salze wie Citrat, Orotat, Aspartat und Bisglycinat weisen in der Regel eine bessere Resorption und Verträglichkeit auf als anorganische Verbindungen wie Oxid.Thieme+1

Magnesiumbisglycinat (Magnesiumchelat mit zwei Glycin-Liganden) besitzt mehrere theoretische Vorteile:

  • hohe intestinale Bioverfügbarkeit,
  • geringes Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen,
  • Glycin als kofaktoriell wirksamer, inhibitorischer Neurotransmitter mit nachgewiesenen Effekten auf Schlafqualität, Tagesmüdigkeit und kognitive Leistungsparameter.PMC+1

Klinische Studien zeigen, dass die abendliche Einnahme von 3 g Glycin bei Personen mit Schlafstörungen oder Schlafrestriktion subjektive Schlafqualität und neurokognitive Parameter signifikant verbessern kann.PMC+1

Für CMD-Patient:innen, bei denen Bruxismus, Schlafstörungen und Stress als Verstärker fungieren, ist die Kombination aus Magnesium und Glycin daher pathophysiologisch plausibel.

Dosierung und Sicherheit der oralen Magnesiumsupplementation

Leitlinien und Reviews empfehlen für Erwachsene eine tägliche Magnesiumzufuhr im Bereich von etwa 300–400 mg, bei therapeutischer Supplementation werden häufig 300–600 mg elementares Magnesium pro Tag eingesetzt.MDPI+1

Für organische Verbindungen wie Magnesiumbisglycinat werden aufgrund der guten Verträglichkeit auch höhere Dosen bis ca. 600–800 mg/Tag diskutiert, sofern keine Niereninsuffizienz oder andere Kontraindikationen vorliegen.MDPI+1

Nebenwirkungen der oralen Einnahme sind überwiegend mild (weicher Stuhl, selten Diarrhö) und treten bei Bisglycinat deutlich seltener auf als bei Citrat oder Oxid. Eine klinisch relevante Hypermagnesiämie ist bei intakter Nierenfunktion praktisch nicht zu erwarten.

CMD, Stress und Magnesium: klinische Schnittmenge in der Kieferorthopädie

Studien zu TMD-myofaszialem Schmerz zeigen, dass Stress, depressive Symptome und Nackendisabilität signifikant erhöhte Werte aufweisen, was die Notwendigkeit multimodaler, biopsychosozial ausgerichteter Therapiekonzepte unterstreicht.MDPI+1

Magnesium wird in der Literatur seit Jahrzehnten als Modulator von Stressreaktionen, neurovegetativer Balance und neuropsychiatrischen Symptomen beschrieben.Europe PMC+1

In einer kieferorthopädischen Praxis, die regelmäßig CMD-Patient:innen behandelt – etwa ein Kieferorthopäde in Freiburg mit enger Zusammenarbeit zu Physiotherapie und ggf. Schmerzmedizin – kann die Empfehlung einer Magnesiumsupplementierung deshalb in folgenden Konstellationen klinisch sinnvoll sein:

  • muskulär dominanter CMD (masseter-, temporalis- und Nackenverspannungen),
  • ausgeprägter Bruxismus mit hoher Kaumuskelaktivität,
  • stressassoziierte Symptomatik und Schlafstörungen,
  • myofasziale Triggerpunkte im Gesichts- und Nackenbereich.

In diesen Fällen fügt sich Magnesium als ergänzende Maßnahme in ein multimodales Konzept aus Schienentherapie, Physiotherapie, ggf. manualmedizinischen und verhaltensmedizinischen Interventionen ein.

Verordnungsfähigkeit und rechtlicher Rahmen

Magnesiumbisglycinat wird im deutschsprachigen Raum überwiegend als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Als solches besitzt es keine arzneimittelrechtliche Zulassung, ist daher nicht als GKV-Leistung verordnungsfähig und wird von gesetzlichen Krankenkassen nicht erstattet.

Arzneilich zugelassene Magnesiumpräparate (z. B. für manifeste Hypomagnesiämie) sind nur bei entsprechender Indikation zu Lasten der GKV verordnungsfähig; CMD zählt nicht zu diesen Indikationen. In der Praxis erfolgt die Empfehlung daher entweder informell (Apotheken- oder Onlinekauf) oder über ein Privatrezept.

Wichtig ist eine klare Aufklärung, dass es sich um einen adjuvanten, optionalen Baustein handelt, der die etablierte CMD-Therapie (Schiene, Physiotherapie etc.) nicht ersetzt.

Therapeutische Einordnung: Ergänzung, nicht Ersatz

Die Gesamtbewertung der Literatur legt nahe:

  • Magnesium hat eine gut belegte Rolle in der Regulation neuromuskulärer Erregbarkeit und der Muskel- sowie Nervenfunktion.MDPI+1
  • Studien zu myofaszialen Schmerzsyndromen und Triggerpunkten – einschließlich der Kaumuskulatur – zeigen, dass Magnesium in verschiedenen Applikationsformen (Injektion, Iontophorese, Supplementation) schmerzlindernd und funktionell günstig wirken kann.BioMed Central+2ScienceDirect+2
  • Glycin als Ligand in Magnesiumbisglycinat verfügt über zusätzliche, nachgewiesene Effekte auf Schlafqualität und Tagesperformance, die bei stressassoziierten CMD-Verläufen therapeutisch relevant sein können.PMC+1

Damit erscheint Magnesiumbisglycinat als evidenzbasiert plausibler, gut verträglicher und kostengünstiger adjuvanter Baustein in der CMD-Therapie – insbesondere bei muskulär dominierten, stressassoziierten Verläufen. Es ersetzt jedoch weder eine fundierte funktionelle Diagnostik noch Schienentherapie, Physiotherapie oder gegebenenfalls weiterführende schmerzmedizinische oder psychotherapeutische Maßnahmen.

Literatur (Vancouver-Stil)

  1. Gröber U, Schmidt J, Kisters K. Magnesium in prevention and therapy. Nutrients. 2015;7(9):8199–8226.MDPI
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  5. Galland L. Magnesium, stress and neuropsychiatric disorders. Magnes Res. 1991;4(4):169–173.Europe PMC
  6. Morel V, Pickering G. Magnesium for pain treatment in 2021? State of the art. Nutrients. 2021;13(5):1397.PMC
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  9. Bannai M, Kawai N. The effects of glycine on subjective daytime performance in partially sleep-restricted healthy volunteers. Front Neurol. 2012;3:61.PMC
  10. Inagawa K, Kawai N, et al. Glycine ingestion improves subjective sleep quality in human volunteers with poor sleep. Sleep Biol Rhythms. 2006;4(2):75–82.Academia+1
  11. Yamadera W, Inagawa K, Chiba S, et al. Glycine ingestion improves subjective sleep quality in human volunteers, correlating with polysomnographic changes. Sleep Biol Rhythms. 2007;5(2):126–131.SpringerLink+1
  12. Kapos FP, Exposto CR, Oyarzo JF, Durham J. Temporomandibular disorders: a review of current concepts in aetiology, diagnosis and management. J Oral Rehabil. 2020;47(5):558–570.PMC
  13. Szarejko KD, Gołębiewska M, Lukomska-Szymańska M, Kuć J. Stress experience, depression and neck disability in patients with temporomandibular disorder—myofascial pain with referral. J Clin Med. 2023;12(5):1988.MDPI

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